EDV-Arbeitstherapie

Die EDV-Arbeitstherapie ist ein Behandlungsverfahren der Ergotherapie, bei dem Arbeit und wirklichkeitsnahe Bedingungen als Mittel der Therapie eingesetzt werden.

Das arbeitsbezogene Therapieangebot findet in Kooperation der Klinik am Hainberg mit dem Bildungszentrum Handel und Dienstleistungen e. V. Bad Hersfeld statt. Diese Form der Zusammenarbeit kann als Beispiel für eine spezielle Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation gesehen werden, sozusagen als ergotherapeutisches Angebot mit Integration externer Kompetenz in Fragen der Beratung und Schulung. Die Besonderheit dieses Formats liegt in der co-therapeutischen Umsetzung dieser Maßnahme.



Im Sinne einer internen realitätsorientierten Belastungserprobung wird im Wesentlichen eine EDV-gestützte Leistungsdiagnostik mit anschließendem Leistungstraining durchgeführt. Es handelt sich hierbei um ein rehabilitatives Angebot, das in inhaltlicher und didaktischer Hinsicht je nach Stand und Zielsetzung des Patienten ausgerichtet wird. Im Rahmen ausgewählter Aufgabenbearbeitungen und unter Einsatz verschiedener Anleitungsverfahren lassen sich sowohl unter strukturierten als auch unstrukturierten Bedingungen diverse Leistungsaspekte erfassen und beurteilen. Die räumliche Ausstattung hat den Charakter eines Übungsbüros.

Die Belastungserprobung dient somit der Konkretisierung und gezielten Bewältigung von arbeitsbezogenen Fähigkeitsstörungen, die unter Berücksichtigung psychotherapeutischer Prozesse aus den sonstigen Behandlungen auch Aussagen über psychodynamische und verhaltensanalytische Zusammenhänge zulassen.
Auftretende Probleme – wie z. B. Ängste im Umgang mit dem PC – werden der therapeutischen Bearbeitung unmittelbar zugänglich gemacht. Negative Übertragungssituationen, in denen frühere Objektbeziehungserfahrungen wieder lebendig werden, können als Projektionen erkannt und für den Patienten emotional korrigierend behandelt werden. Ferner kann die verhängnisvolle Interaktion von Versagensängsten und tatsächlichem Versagen durch ein problem- und handlungsorientiertes Vorgehen unterbrochen werden. Somit wird eine Reduzierung von Schwellenängsten und Änderung von Unsicherheiten eingeleitet.

In regelmäßig stattfindenden Reflektionsgesprächen werden individuelle Ressourcen und Defizite in den Betätigungsfunktionen gemeinsam mit dem Patienten erörtert und mögliche Veränderungsstrategien erarbeitet. Ist die Zielsetzung eher auf das Arbeitsverhalten wie z. B. auf die Tendenz zur Selbstüberforderung ausgerichtet, wird durch genauere Analyse der Arbeitshaltungen versucht, konkrete Bedingungen für die Veränderungen solcher Haltungen herzustellen. Durch die Behandlung soll ein Prozess eingeleitet werden, innerhalb dessen der Patient mit therapeutischer Unterstützung eine neue Sichtweise sowie neue Bewältigungsstrategien für seine Arbeitssituation konstruieren kann. Der Betroffene soll korrigierende Handlungs- und Interaktionsmuster ggf. mit Modifikation von Arbeitsabläufen finden, mit denen er seine Rolle im Arbeitsleben zufrieden stellend ausfüllen kann.

Durch die Einbindung einer standardisierten Dokumentation von Potentialen und Beeinträchtigungen des Rehabilitanden im wissenschaftlich abgesicherten Ergotherapeutischen Assessment lässt sich die Aussagefähigkeit über die Leistungsfähigkeit des Patienten verbessern. Ebenso wird die Informationstransparenz einschließlich der Ergebnisse der psychologischen Testuntersuchung AVEM zur Erfassung des Arbeits- und Motivationsverhaltens im Hinblick auf die arbeitsbezogenen Fragestellungen für das Behandlungsteam optimiert. Das Ergotherapeutische Assessment – zu sehen als eine Weiterentwicklung von Elementen des Fähigkeitsprofils von MELBA – spiegelt menschliche Handlungskompetenz abhängig von den beiden Faktoren „personale Fähigkeiten“ und „umweltbezogene Handlungsbedingungen“ wider. In den verschiedenen Beurteilungsmodulen werden die Funktionsbereiche der personellen Fähigkeit unmittelbar in ihrer Wirkung auf alltags- und arbeitsrelevante Basisaktivitäten beurteilt. Alle somit erfassten Ergebnisse gehen in den Rehabilitationsprozess ein und werden in die sozialmedizinische Beurteilung integriert.

Das Arbeitstraining kann bis zu 4 Zeitstunden am Block durchgeführt werden, damit ein möglichst realistisches Bild der beruflichen Belastungsmöglichkeiten gezeichnet werden kann. Die Dauer eines Belastungstrainings und das zeitliche Anforderungsprofil richten sich nach den individuellen Erfordernissen des Patienten und kann während des Aufenthaltes gesteigert werden.

Die EDV-Arbeitstherapie richtet sich an Rehabilitanden mit arbeitsdiagnostischen Fragestellungen und zur Leistungsbeurteilung u. a. zur Analyse der Grundarbeitsfähigkeiten wie Konzentration, Ausdauer, Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, Handlungssteuerung, Verständnis von Arbeitsanleitungen, Arbeitstempo sowie der sozioemotionalen Fähigkeiten, z. B. bei Rentenantragstellern, Patienten mit Leistungs- und/oder Arbeitsstörungen, unterbrochenen Berufserfahrungen bzw. zur Neuorientierung, länger andauernder Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, berufsrelevanten persönlichen Problemen, auch Rollenkonflikten und anstehenden berufsfördernden Maßnahmen.

Die Therapieziele lauten demnach:

• Realistische Einschätzung der Leistungsfähigkeit in einer arbeitsbezogenen Anforderungssituation
• Ermitteln, trainieren und stabilisieren von instrumentellen und sozioemotionalen Arbeits- und Grundarbeitsfähigkeiten
• Abbau von Erwartungs- und Versagensängsten
• Abklärung und Etablierung der Motivation zur beruflichen
Tätigkeit
• Steigerung der individuellen Belastbarkeit
• Eingrenzung von Belastungsquellen
• Aufbau von Fähigkeiten, die eine Voraussetzung für den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben darstellen
• Ausbau vorhandener Ressourcen

Sollte zur Erprobung der Leistungsfähigkeit in einer berufsspezifischen Tätigkeit darüber hinaus oder alternativ eine externe berufsorientierte Belastungserprobung durchgeführt werden, so findet diese in Abstimmung mit dem Sozialdienst der Klinik statt, wobei diese Maßnahme durch die Sozialarbeiter in Kooperation mit ortsansässigen Betrieben und Einrichtungen initiiert und begleitet wird. In einem gemeinsamen Abstimmungsprozess mit dem Reha-Fachberater der Rentenversicherung werden die gewonnen Erkenntnisse integriert und münden ggf. in eine gezielte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Durch die Einrichtung dieses Behandlungsmoduls kann der berufliche Reintegrationsprozess wesentlich optimiert werden.